Abgänge von Streich und Klopp Wann ist es für Chefs an der Zeit zu gehen?

Christian Streich tritt als 29 Jahren beim SC Freiburg als Cheftrainer zurück. Quelle: imago images

Der Management-Moment der Woche und was sich aus ihm lernen lässt: Christian Streich hört als Cheftrainer des SC Freiburg auf. Sieht so der gelungene Abtritt aus?

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Das ist passiert

Bei 481 Pflichtspielen der Profis stand und saß, wütete und diskutierte Christian Streich als Cheftrainer des Sportclubs Freiburg an der Seitenlinie. Am Montag, nach 29 Jahren im Verein, verkündete Streich seinen Abgang „sehr schweren Herzens“ in einem Video: Es sei der richtige Zeitpunkt, „Adieu zu sagen“ und „neue Energien, neue Leute, neue Möglichkeiten reinzulassen“.  

Streich hatte die Mannschaft 2022 in das erste Pokalfinale der Vereinsgeschichte geführt. Seine Ankündigung kommt ähnlich überraschend wie die Entscheidung von Jürgen Klopp, der Ende der Saison nach neun Jahren beim FC Liverpool aufhört. Dabei läuft es doch. Wann also ist der richtige Zeitpunkt für den Abgang?

Das können Sie daraus lernen

1. Aufhören, solange es schön ist

Obwohl es auf den ersten Blick keinen Grund gibt, zu gehen, tun Christian Streich und Jürgen Klopp genau das. Und so sollten es auch andere Führungskräfte handhaben, meint Attila Khan. Der Geschäftsführer bei der Karriereberatung „The Boardroom“ würde die Weisheit „Aufhören, wenn es am schönsten ist“ in der Managementwelt etwas anpassen: Aufhören, solange es schön ist. „Gerade Topmanager sollten nebst Vertragserfüllung das Ziel haben, das Unternehmen in einem wirtschaftlich guten Zustand zu übergeben“, betont Khan.

Hinterlassen Führungskräfte ein funktionierendes Team, steigern sie ihren Marktwert: Sie gelten als erfolgreich, verbessern ihre Verhandlungsposition in Gesprächen mit neuen Firmen, erhalten gute Referenzen von Weggefährten. Und doch weiß Khan, wie schwer sich erfolgreiche Manager damit tun: „Erfolg macht hungrig.“ Auch Christian Streich sagte zu seinem Abschied: „Es war mir schon in der Vergangenheit sehr, sehr wichtig, dass ich den Zeitpunkt nicht verpassen wollte, wo ich glaube, dass es Zeit ist, zu gehen.“

Nach neun Jahren beim FC Liverpool hört Jürgen Klopp nach dieser Saison beim englischen Traditionsclub auf. Quelle: imago images

Bernd Fricke ist überzeugt, dass nur die wenigsten über so viel Disziplin und Charakterstärke verfügen, dass sie in erfolgreichen Zeiten selbst zu dieser Erkenntnis kommen. Fricke berät für die Personalberatung Rochus Mummert Führungskräfte bei ihrer Karriereplanung. Er weiß, dass viele Chefinnen und Chefs häufig weg von oder hin zu etwas wollen. Und doch gilt laut Fricke: „Fällt es mir als Führungskraft gerade leicht und feiere ich große Erfolge, kann das paradoxerweise ein klares Signal sein, sich umzuschauen.“ Vor allem für Personalchefs oder Controller könnte sich dann auch ein Branchenwechsel anbieten. „Anders als etwa CTO oder Vertriebsleiter benötigen sie oftmals nicht allzu viel Stallgeruch in einer Branche“, sagt Fricke.

2. Knallharte Selbstreflexion und gute Vorbereitung

Um zu der Erkenntnis zu gelangen, bedarf es einer „nüchternen Bestandsanalyse“, wie es Bernd Fricke sagt. Die wichtigen Fragen, die sich Führungskräfte stellen sollten: Passt meine Rolle noch zu mir und dem Unternehmen? Ist meine Erfahrung noch gefragt? Habe ich genügend Gestaltungsmöglichkeiten? Und ganz wichtig: Wie sind meine Perspektiven, wenn sich das Unternehmen und der Markt wandeln? „Ein Manager ist womöglich als Restrukturierer gekommen, hat die Transformation gemeistert. Jetzt aber soll das Unternehmen wachsen, ins Ausland expandieren, neue Produkte entwickeln. Dann kann es an der Zeit sein, sich vor der nächsten Vertragsverlängerung kritisch zu hinterfragen: ‚Kann ich hier noch maximale Wirkung entfalten?‘“, sagt Attila Khan.

Zu Beginn der Karriere, betont Fricke, sei es ratsam, alle drei bis fünf Jahre den Job zu wechseln. „So sammle ich viele neue Erfahrungen, steige schneller auf.“ Bei den oberen Führungskräften erhalte ein Wechsel alle fünf bis sieben Jahre „die Marktattraktivität“. Und anders als ein Wechsel der Position im selben Unternehmen signalisiere der Arbeitgeberwechsel echte Veränderungsbereitschaft.

3. Gute Referenzen statt hoher Abfindung

Khan und Fricke raten zu einer Trennung auf Augenhöhe – samt gegenseitiger Wertschätzung, wie sie auch Klopp und Streich in ihren Videostatements betont haben. „Führungskräfte sollten sich verkneifen, Konflikte offensiv anzusprechen. Das Ziel sollte sein: Freunde machen, nicht Feinde“, betont Fricke.

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Auch Khan empfiehlt Managern, die „Referenzfähigkeit“ zu erhalten. „Das ist viel wichtiger, als 10.000 oder 20.000 Euro mehr bei der Abfindung rauszuholen.“ Wie man beim alten Arbeitgeber in Erinnerung bleibt, sei häufig ein guter Prädikator für die Verhandlungen mit dem zukünftigen Arbeitgeber. „Da telefonieren Aufsichtsräte gerne mal untereinander und fragen nach, wie die Zusammenarbeit oder auch der Abgang abgelaufen ist“, weiß Khan.

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